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KI: Fünf Prinzipien gegen den Kontrollverlust

KI-Systeme treffen bereits eigenständig Sicherheitsentscheidungen und erkennen Cyberbedrohungen schneller als Menschen. Doch die fehlende Transparenz dieser Entscheidungen birgt neue Risiken für Unternehmen und kritische Infrastrukturen.

Lesezeit 4 Min.

Cybersecurity steht am Wendepunkt. KI-Systeme erkennen Angriffe schneller als der Mensch, reagieren in Sekundenbruchteilen und treffen zunehmend eigenständig Entscheidungen. Was wie ein technologischer Fortschritt klingt, birgt eine neue Qualität des Risikos: Wenn Maschinen urteilen, ohne dass Menschen verstehen, wie und warum, droht der Kontrollverlust. Heute, in Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen und hochentwickelter Angriffsmethoden, wird klar: Die Frage ist nicht, ob wir KI einsetzen, sondern wie verantwortungsvoll. Denn in der Cybersicherheit können intransparente oder unfaire Entscheidungen fatale Folgen für Unternehmen, Institutionen und ganze Gesellschaften haben.

Der Responsible-AI-Ansatz liefert einen Rahmen, um dieser Entwicklung zu begegnen. Es geht neben technologischer Leistungsfähigkeit, auch um Nachvollziehbarkeit, Sicherheit und ethische Verantwortung. Die folgenden fünf Prinzipien zeigen, wie sich KI in der Cybersecurity robust, fair und vertrauenswürdig einsetzen lässt.

Interpretierbarkeit als Grundvoraussetzung

Cybersicherheitslösungen dürfen keine Black Boxes sein – schon gar nicht in einem Bereich, in dem Fehlentscheidungen weitreichende Konsequenzen haben. Wenn ein System eine Bedrohung identifiziert oder blockiert, müssen Analyst:innen in der Lage sein, nachzuvollziehen, auf welcher Grundlage diese Entscheidung getroffen wurde. Welche Muster hat das System erkannt? Welche Metriken oder historischen Daten haben zur Einstufung geführt? Nur dann können sie richtig reagieren, Irrtümer erkennen und Vertrauen in die Technologie entwickeln.

Explainable AI (XAI) schafft hier die Grundlage: Durch nachvollziehbare Modelle, transparente Entscheidungswege und verständliche Visualisierungen wird maschinelles Lernen mehr Werkzeug als zum Risikofaktor.

Schutz vor Manipulation

KI darf in der Cyberabwehr selbst kein Einfallstor sein. Systeme, die Angriffe erkennen sollen, müssen auch gegen Angriffe auf sich selbst gewappnet sein. Adversarial Attacks, also manipulierte Eingaben, die gezielt Fehlentscheidungen provozieren, zeigen, wie angreifbar viele Modelle heute noch sind.

Verantwortungsvolle KI bedeutet deshalb, Sicherheit und Robustheit müssen von Anfang an mitgedacht und regelmäßig getestet werden. Das umfasst gezielte Penetrationstests gegen das Modell, Simulation adversarialer Szenarien, automatisierte Monitoring-Funktionen sowie Fail-Safe-Mechanismen bei unsicheren Entscheidungen. Besonders in hybriden Bedrohungslagen, wie etwa im Kontext staatlich motivierter Cyberoperationen oder hochautomatisierter Angriffskampagnen. Dort entscheidet die Widerstandsfähigkeit eines KI-Systems über die Funktionsfähigkeit ganzer Infrastrukturen.

Balance zwischen Genauigkeit und Praktikabilität

Eine der größten Herausforderungen im Einsatz von KI für die Cybersecurity ist die richtige Balance: Wie lassen sich tatsächliche Bedrohungen zuverlässig erkennen – ohne dass die Zahl der Fehlalarme außer Kontrolle gerät? Denn jedes False Positive kostet Zeit, Ressourcen und Vertrauen. Und jedes False Negative, also eine übersehene Bedrohung, kann katastrophale Folgen nach sich ziehen.

Deswegen braucht es Modelle, die auf hohe Präzision ausgerichtet sind: durch saubere Trainingsdaten, regelmäßige Revalidierung unter realen Bedingungen und transparente Kalibrierung der Entscheidungsschwellen. Messgrößen wie Precision, Recall oder F1-Score müssen zur Grundlage des Produktdesigns werden. Responsible AI geht dabei über reine Genauigkeit hinaus: Sie erklärt ihre Einschätzung, quantifiziert Unsicherheiten und kann mit einem Human-in-the-Loop-Ansatz ergänzt werden, um bei kritischen Entscheidungen die menschliche Kontrolle zu bewahren.

Datenschutz als Wettbewerbsfaktor

Cybersicherheitslösungen operieren oft in besonders sensiblen Datenräumen: Dort, wo Kommunikationsverläufe, Systemprotokolle, Identitätsmerkmale und Verhaltensdaten verarbeitet, analysiert und in Modelle eingespeist werden. Ohne angemessene Datenschutzmaßnahmen entsteht schnell ein Zielkonflikt zwischen Sicherheit und Privatsphäre.

Für einen verantwortungsvollen Einsatz von KI darf Datenschutz kein nachträgliches Compliance-Thema sein, sondern muss ein integraler Bestandteil der Architektur sein. Methoden wie Data Minimization, lokale Modellverarbeitung (Federated Learning), differenzielle Privatsphäre oder homomorphe Verschlüsselung helfen, personenbezogene Daten zu schützen, ohne die Leistungsfähigkeit des Systems zu beeinträchtigen. Nur durch konsequenten Schutz sensibler Daten lässt sich das Vertrauen der Nutzer:innen und der Gesetzgeber langfristig gewinnen. AI Act und NIS-2 heben Datenschutz heute zu einem harten Wettbewerbsfaktor hervor. Unternehmen, die hier Standards setzen, profitieren doppelt: rechtlich und reputativ.

Menschzentrierte Werte als Handlungsrahmen

Sicherheit ist mehr als Technik. KI-Systeme, die automatisierte Entscheidungen treffen, haben immer auch eine gesellschaftliche Dimension. „Do No Harm“ ist deshalb mehr als ein ethisches Ideal. Es ist ein konkreter Handlungsrahmen. Entscheidungen der KI müssen sich an menschlichen Werten orientieren, sprich durch Fairness, Inklusion, Nichtdiskriminierung und Nachhaltigkeit. Die Systeme müssen so konzipiert sein, dass sie Kontrolle befördern statt entziehen: durch Auditability, Interventionsmöglichkeiten und nachvollziehbare Verantwortlichkeiten.

Besonders in kritischen Infrastrukturen darf KI nicht isoliert entscheiden. Ein „Human-in-the-loop“ oder zumindest „Human-over-the-loop“-Ansatz ist essenziell – nicht nur zur Risikominimierung, sondern auch zur Wahrung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien.

Vertrauen entsteht nicht durch Technik allein

KI kann der Schlüssel zu moderner, adaptiver und skalierbarer Cybersicherheit sein. Doch Vertrauen entsteht nicht automatisch – es muss verdient werden. Responsible AI liefert zumindest das Fundament: anhand erklärbarer, robuster, datenschutzfreundlicher und ethisch verankerter Systeme.

Unternehmen, die KI in der Security einsetzen, sollten sich aktiv mit diesen Prinzipien auseinandersetzen – nicht ausschließlich aus Compliance-Gründen, sondern aus strategischen Beweggründen.

Autor

Dr. Beverly McCann ist Director of Product bei Darktrace.