Unternehmen fordern Chief Resilience Officer auf Vorstandsebene
Drei Viertel der Resilienz-Fachleute verlangen laut einer Studie eine zentrale Führungsrolle für Krisenfestigkeit auf C-Level. Denn IT-Sicherheit allein genügt nicht mehr – geopolitische Spannungen und KI-gestützte Angriffe erfordern einen grundlegenden Strategiewechsel, meint unsere Autorin.
Gesperrte E-Mail-Accounts ohne Vorwarnung, plötzliche Einreiseverbote für Mitarbeitende, gekündigte internationale Abkommen: Was vor wenigen Jahren noch als theoretisches Krisenszenario galt, gehört 2025 zum Alltag international tätiger Firmen. Die veränderte Weltlage stellt bisherige Sicherheitskonzepte infrage. Klassische IT-Sicherheitsstrategien, die primär auf Abwehr von Cyberangriffen ausgerichtet sind, greifen angesichts geopolitischer Spannungen, restriktiver Datenzugriffe und instrumentalisierter digitaler Infrastrukturen zu kurz.
Der BCI Resilience: Vision 2030 Report, den das Business Continuity Institute zusammen mit F24 veröffentlicht hat, liefert dazu konkrete Zahlen: 73,7 Prozent der befragten Fachleute fordern die Einführung einer zentralen Führungsrolle für Resilienz auf C-Level. Laut der Studie ist Krisenfestigkeit zur strategischen Aufgabe der Unternehmensführung geworden.
Vom Kostenfaktor zum Wettbewerbsvorteil
Wo früher die Frage lautete „Wie verhindern wir einen Angriff?“, muss sie heute heißen „Wie bleiben wir handlungsfähig – egal, was passiert?“ Und hier beginnt die eigentliche Transformation von reaktiver Abwehr zu proaktiver Anpassungsfähigkeit. Genau das ist der Kern dessen, was heute unter Resilienz verstanden wird. Denn in ihrem Sinne sollten Unternehmen nicht nur Angriffe abwehren oder Schäden minimieren, sondern Funktionsfähigkeit und Vertrauen auch unter widrigen Bedingungen erhalten. Die dahinterstehende Haltung markiert einen Paradigmenwechsel: Weg vom „Kostenfaktor Sicherheit“ hin zum Wertschöpfungsfaktor Resilienz.
Laut dem BCI Vision 2030 Report betrachten 60 Prozent der Unternehmen Resilienz inzwischen als Profit Center statt als reine Kostenstelle. Denn resiliente Strukturen senken nicht nur Ausfallkosten und Haftungsrisiken, sondern steigern Effizienz, Prozessstabilität und Reputation. Der Bericht nennt drei zentrale Treiber:
- Kostensenkung durch reduzierte Ausfallzeiten (86,7 %)
- Reputationsschutz (70,9 %)
- Bessere Compliance und regulatorische Sicherheit (69,4 %)
Kurz gesagt: Resilienz ist heute ein Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die Stabilität schaffen, wo andere Unsicherheit erleben, gewinnen Vertrauen – intern wie extern.
Europäische IT-Partner und neue Führungsstrukturen
Doch wie entsteht Resilienz konkret? Dazu gibt es unterschiedliche Hebel, einer liegt in Zeiten globaler Abhängigkeiten sicher in der Frage, wem man seine IT anvertraut. Wer sich in Sachen IT-Infrastruktur für europäische Partner entscheidet, reduziert geopolitische Risiken, stärkt Datenschutz-Compliance und schafft durch operative Stabilität einen echten Hebel für langfristige Resilienz. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Verankerung des Themas in der Führungsarchitektur des eigenen Betriebes.
Bisher war der Chief Security Officer (CSO) der zentrale Akteur, zuständig für Informationssicherheit, physische Schutzmaßnahmen und Abwehr konkreter Bedrohungen. Doch die Realität zeigt: Sicherheit allein genügt nicht, wenn die Organisation als Ganzes nicht widerstandsfähig ist. Hier ergänzt vielleicht in Zukunft der Chief Resilience Officer. Der Auftrag: Resilienz ganzheitlich steuern, priorisieren und messbar machen. Dabei ist der Unterschied zwischen CSO und Chief Resilience Officer grundlegend: Der CSO schützt. Er erkennt, bewertet und verhindert Bedrohungen, meist innerhalb klar definierter Systeme. Der Chief Resilience Officer befähigt. Er macht Resilienz zur strategischen Führungsaufgabe. Sein Blick reicht über die IT hinaus und umfasst Lieferketten, Compliance, Kommunikation, Infrastruktur und Unternehmenskultur.
Diese Rolle erfordert ein anderes Kompetenzprofil: Laut Studie zählen strategische Führung (68,4 %), Risikomanagement (56,1 %) und Lieferketten-Resilienz (45,9 %) zu den entscheidenden Fähigkeiten der kommenden Jahre. Soft Skills wie Kommunikation, interkulturelles Verständnis und die Fähigkeit, Silos zu überwinden, gewinnen dabei an Gewicht.
Entscheidend ist dabei weniger, ob eine neue Rolle mit dem Titel „Chief Resilience Officer“ geschaffen wird, sondern dass alle relevanten Verantwortlichkeiten – von Risiko- und Sicherheitsmanagement über Kontinuitätsplanung bis hin zu Kommunikation und Kulturentwicklung – in einer zentralen Führungsfunktion gebündelt werden. Ob diese Verantwortung bei einem bestehenden C-Level-Vertreter wie dem Chief Risk Officer oder Chief Operations Officer liegt oder in einer neuen Position verankert wird, hängt von der Struktur und Reife des Unternehmens ab. Wichtig ist, dass Resilienz eine eindeutige strategische Heimat erhält, mit klaren Zuständigkeiten, Entscheidungsbefugnissen und Sichtbarkeit im Vorstand. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Resilienz nicht als Teilaufgabe verschiedener Abteilungen verbleibt, sondern als übergreifendes Steuerungsprinzip das gesamte Unternehmen prägt.
Technologie als Werkzeug für proaktive Risikoerkennung
Der Weg zur Resilienz ist auch ein technologischer. Der Vision 2030-Report zeigt: Fast 80 Prozent der Fachleute erwarten bis 2030 eine stärkere Integration moderner Technologien in die Resilienzarbeit. Besonders gefragt sind dabei KI-gestützte Risikoanalysen (73,3 %), Szenario-Simulationen und Planungstools (72,8 %) sowie Echtzeit-Dashboards für Risiko-Monitoring (68,2 %).
Diese Technologien ermöglichen es, Risiken lange bevor sie zur Krise werden, proaktiv zu erkennen und Handlungsoptionen datenbasiert zu bewerten. Für Sicherheitsverantwortliche bedeutet das, sie verlassen die reaktive Haltung und werden zu aktiven Architekten organisationaler Stabilität. Auch hier gilt: Technologie ersetzt nicht das Denken, sondern erweitert es. Sie kann Risiken sichtbar machen, Abhängigkeiten modellieren und Entscheidungsprozesse beschleunigen. Doch entscheidend bleibt das Zusammenspiel aus menschlichem Urteilsvermögen, interdisziplinärer Zusammenarbeit und klarer Governance.
Herausforderungen auf dem Weg zur resilienten Organisation
Resilienz ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Sie entsteht, wenn Organisationen Krisen nicht nur überstehen, sondern aus ihnen lernen. Wenn sie interne und externe Abhängigkeiten analysieren, Schnittstellen stabilisieren, Verantwortlichkeiten bündeln und digitale wie analoge Strukturen laufend überprüfen. Der Report zeigt, dass der Weg dorthin anspruchsvoll bleibt (immerhin 63 % der Befragten kritisieren Stand heute mangelnde Zusammenarbeit zwischen Abteilungen, Budgetmangel (46 %) und fehlende Managementunterstützung (45 %)), dennoch liegt hier eine enorme Chance. Unternehmen, die Resilienz auf C-Level verankern, interdisziplinäre Teams bilden und Technologie als Enabler verstehen, schaffen Stabilität in unsicheren Zeiten und gewinnen zugleich an Beweglichkeit, Innovationskraft und Vertrauen.
Autorin
Dr. Stefanie Hauer ist Senior Vice President Commercial bei F24 AG, Europas führendem Anbieter für digitale Resilienzlösungen.
