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Tolle Systeme : Editorial

Lesezeit 2 Min.

Meine erste Begegnung mit Poetron war Mitte 1996: „Günters Genialer Gedicht Generator“ hatte gerade seine 56.830. Schöpfung kreiert. Ich würde das Programm „kI“ nennen mögen, mit kleinem „k“ wie „keine Intelligenz“. Sein Autor schrieb einmal, es arbeite „auf der streng wissenschaftlichen Basis des kreativen Zufalls – seine Leistungsfähigkeit wird demgemäß nicht durch naive Ansätze zur künstlichen Intelligenz eingeschränkt“. Poetron nimmt Vorgaben (Wörter) entgegen und würfelt anhand bestimmter Strukturen daraus „Poesie“ zusammen – ohne semantische Analysen. Das Programm ist eine Parodie auf Poeten, die bisweilen wirre Machwerke als hohe Kunst verbreiten (www.poetron-zone.de/poetron.php).

Anfang Mai verleiteten meine vom KI-Hype um automatisierte Security inspirierten Vorgaben „Anbieter/Sicherheitssystem/schützen/toll“ Poetron zu seinem 14.143.485. Gedicht, das ich hier gänzlich unredigiert wiedergeben möchte:

schützende Sicherheitssystem
Warum schützen die tollen Sicherheitssystem?
Schützendes scheitert,
Sie schützen und merken nun denn toll.
Bedenke –
Merken sie gefährlich und hold?
Wahrhaftig?!
Sie schützen tja sportlich!

Anbieter – er kann es schubsen

Erkennt man im Einstieg die Erkenntnis „Assume Breach“, einen Hinweis auf die Wichtigkeit von Detection and Response im Mittelteil, eine Warnung vor False Positives und eine Mahnung der Fehlbarkeit sowie Verantwortung der Hersteller im Ausklang? Was würde ChatGPT, dem man künstliche Intelligenz (meist „KI“ mit großem „K“) zuschreibt, hier hineininterpretieren? Hier die – ebenfalls unredigierte – Antwort auf die Bitte, das Gedicht zu erklären:

Das Gedicht scheint eine Reflexion über Sicherheitssysteme zu sein. Es beginnt mit der Frage, warum diese Sicherheitssysteme schützen. Dann wird festgestellt, dass ihr Schutz versagt. Trotzdem schützen sie weiterhin und es wird angedeutet, dass sie sich ihrer Wirkung bewusst sind. Der Leser wird aufgefordert, darüber nachzudenken, ob sie tatsächlich gefährlich und schützenswert sind. Die letzte Zeile des Gedichts deutet darauf hin, dass es einen Anbieter gibt, der die Sicherheitssysteme beeinflussen kann.

Insgesamt scheint das Gedicht eine skeptische Haltung gegenüber Sicherheitssystemen auszudrücken. Es stellt ihre Wirksamkeit in Frage und hinterfragt ihre Motive. Es könnte auch eine Kritik an der Art und Weise enthalten, wie Sicherheitssysteme von bestimmten Anbietern oder Unternehmen verkauft und vermarktet werden.

Zudem merkt der Chatbot an, „dass Gedichte oft interpretierbar sind und verschiedene Leser unterschiedliche
Bedeutungen aus ihnen herausziehen können“ – und suggeriert noch ein vorsichtiges Selbstbewusstsein: „Meine
Erklärung basiert auf meiner eigenen Interpretation und kann von anderen Interpretationen abweichen.“ Gibt man die
Quelle mit an, mutmaßt ChatGPT übrigens zunächst (mit einem kleinen Stolperer): „Es scheint sich um ein von einem
KI-generierten Gedicht handeln, das von einem Programm namens ‚Poetron‘ erstellt wurde. Poetron ist ein Programm,
das Gedichte auf Basis von Algorithmen und vorab trainierten Modellen erzeugt. … Da diese Gedichte maschinell
generiert werden, fehlt ihnen oft eine tiefere Bedeutung oder Intention. Sie können jedoch als interessante kreative Texte betrachtet werden, …“

Ja, es ist immer wieder faszinierend, was Technik kann. Ob das kreativ ist, sei dahingestellt. Hauptsache, eine
derzeit eher veraltete Bedeutung von „toll“ erfährt angesichts der tollen KI-Systeme keine Renaissance: „sich aufgrund
einer Psychose auffällig benehmend“.

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