„Think Twice“ ist eine Tugend!
Herrscht hierzulande eine technophobe „German Angst“, die Fortschritt, Wachstum und digitale Kompetenzen blockiert?
Herrscht hierzulande eine technophobe „German Angst“, die Fortschritt, Wachstum und digitale Kompetenzen blockiert? So hat das zumindest Anfang September IT-/PR-Fachredakteur Jan Bernecke in seinem Kommentar „Dichter und Denker sind keine Digitalpioniere“ moniert [1]: „Anstelle von Aufbruchsstimmung und Innovationsgeist herrschen Skepsis und Zögern, wenn es um neue Technologien geht – sowohl in der Bevölkerung als auch in der Wirtschaft.“
Bernecke hat bestimmt nicht unrecht, wenn er vom Stereotyp des überversicherten Deutschen* spricht – und von den deutschen Tugenden Verlässlichkeit, Qualität und Stabilität. Dass Altbewährtes nicht auf immer und ewig den Wohlstand sichert, und ein „krampfhafter Versuch, sich gegen alle Eventualitäten und Risiken doppelt und dreifach abzusichern“ nicht funktioniert, dem ist ebenfalls zuzustimmen – tatsächlich haben gerade in der Anfangsphase der Digitalisierung diverse Projekte, Politiker und Fachleute versucht, allzu hohe (Sicherheits-)Standards einzuführen, die schlichtweg nicht alltagstauglich waren: entweder zu teuer, zu kompliziert, zu langwierig oder alles zusammen.
Wenn es aber um die heutigen und zukünftigen Erfolsfaktoren in einer schnelllebigen digitalen Welt geht, klingt es mir dann doch zu sehr nach „Postprivacy“ (Postsecurity?) und „Innovation um jeden Preis“, wenn Bernecke postuliert: „Die Adaption von Neuem, Flexibilität und Risikofreudigkeit sind mehr und mehr für Erfolg verantwortlich. … Eine Wirtschaft, die alles daransetzt, Risiken zu vermeiden, blockiert sich letztlich selbst. Garantien gibt es keine mehr, wir sollten daher den Erfolg mehr im Wagnis suchen als im Altbewährten.“ Das mag ja für einen kurzfristigen Erfolg in der volkswirtschaftlichen Gesamtschau noch funktionieren, aber wenn wir heute Digitalisierung betreiben, sollte das jenseits überhitzter Hype-Cycles und mit dem Ziel eines nachhaltigen Erfolgs passieren. Dafür kann die Antwort kein Ausprobieren auf Teufel komm raus sein: Denn das Wagnis jenseits von verbranntem Risikokapital liegt bei den Nutzern und Unternehmen, für die eben nicht „too big to fail“ gilt – wenn beispielsweise eine persönliche Krankengeschichte oder eine innovative Ingenieurleistung erst einmal kompromittiert sind, gibt es keine zweite Chance. „Mut“ ist hier fehl am Platze – gefragt ist das Abwägen (!) von Risiken in allseitigem (!) Verantwortungsbewusstsein.
Weder überzogene Sicherheit noch ungebremster Fortschritt dürfen zum Dogma aufsteigen! Bei heiklen Dingen – in Sachen Digitalisierung eher die Regel als die Ausnahme – lohnt es sich durchaus, zweimal nachzudenken. Danach sollte man dann handeln – vielleicht auch mal „pragmatisch, nie aber naiv oder rücksichtslos auf Kosten von Datenschutz und -sicherheit!
[1] Jan Bernecke, Dichter und Denker sind keine Digitalpioniere, Kommentar, online auf https://pr-com.de/insights/dichter-und-denker-sind-keine-digitalpioniere/