Anwenderbericht : Dünne Luft hinter dicken Mauern : Brandvermeidungssystem im Rechenzentrum
Rechenzentren können heute eine enorme Zahl von IT-Systemen versammeln und dadurch zu heiklen „Single Points of Failure“ werden – gerade in Colocation-Szenarien. Eine redundante und kompromisslose Sicherheit ist an solchen Orten besonders wichtig. Für sein Bremer Rechenzentrum (RZ) im ehemaligen Atomschutzbunker setzt ColocationIX auf ein Brandvermeidungssystem von Wagner.
Von Andres Dickehut, Bremen
Der Zutrittsschutz baut beim ColocationIX-Rechenzentrum in Bremen auf einer soliden Grundlage auf: Zwei Meter dicker Stahlbeton und Türen der höchsten Sicherheitsstufe RC 6 sichern den ehemaligen Atomschutzbunker. Die Zutrittskontrolle erfolgt mit einer Drei-Faktor-Authentifizierung über Code, Chip- und Biometrie-Erkennung. Schleusen reglementieren den Zugang mithilfe von Kontrollsystemen und Sicherheits-Scannern.
Das Gebäude ist in Sicherheitszonen segmentiert und in verschiedene abgetrennte Funktionsräume für Serverbetrieb, Internetanbindungen und Versorgungspfade unterteilt – fällt ein Funktionsraum in einer Sicherheitszone aus, gibt es Ersatz in einer anderen Zone. Für die EN 50600 Klasse 4 müssen einzelne Räume oder Versorgungspfade ausfallen können, ohne dass der Betrieb des gesamten Rechenzentrums gefährdet ist – daher existieren immer mehrere Pfade und Systeme für die Stromversorgung. Neben dem üblichen Netzstrom „von unten“ erzeugen bei Bedarf Generatoren auf dem Dach Strom (Abb. 1). Stromversorgungspfade bestehen auf beiden Seiten des Gebäudes und verfügen über Etagenverteilungen und USV-Anlagen. Für die Verkabelungssysteme setzt der Betreiber Stromschienensysteme und halogenfreie Strom- und Datenkabel sowie Kabeltragsysteme ein. Mehrere unabhängige Kreisläufe schaffen in externen wie internen Kühlsystemkomponenten die gewünschte Redundanz.
Die fünf RZ-Etagen von ColocationIX bilden so jeweils ein eigenes Rechenzentrum mit ihren eigenen Sicherheitssystemen. Neben Cyberrisiken und Standortfaktoren übersehen IT-Experten leider oft eine ernsthafte Bedrohung: Feuer! Fortschritte bei Kühlsystemen erschweren klassischen passiven Rauchmeldesystemen eine rechtzeitige Branderkennung: Die in Rechenzentren untergebrachten Server erhitzen immer schneller, sodass viele Rechenzentrumsbetreiber ihre Kühlung intensivieren. Durch die zur Kühlung benötigten Luftströme erreicht jedoch zu Beginn eines Brandes gegebenenfalls nur eine geringe Rauchkonzentration die Decke, was für eine erfolgreiche Detektion mit handelsüblichen Punktmeldern nicht ausreicht. Wenn die Detektoren auslösen, ist ein gewisses Schadensszenario bereits eingetreten oder nicht mehr zu vermeiden.

Abbildung 1: Kühlsysteme und Notstromaggregate hat ColocationIX auf dem Dach des ehemaligen Atomschutzbunkers platziert.
Brandschutzkonzept
Auf der Suche nach einer Lösung dieser Problematik hat sich ColocationIX für die Brandschutztechnik OxyReduct der Wagner Deutschland GmbH entschieden. Dieses System lässt einen Brand idealerweise gar nicht erst entstehen: Es erkennt frühzeitig mögliche Brandgefahren durch Ansaugrauchmelder, die Luftproben aus den Räumen holen, analysieren und hochsensibel sowie täuschungsalarmsicher detektieren. Zusätzlich wird mittels kontrollierter Stickstoffzufuhr der Sauerstoffgehalt im Rechenzentrum permanent auf eine Restkonzentration unterhalb der Entzündungsgrenze IT-typischer Materialien eingestellt.
Wagner bietet für OxyReduct an seinem Stammsitz in Langenhagen bei Hannover einen Demonstrationsraum zum Testen an. Der Versuch, dort unter Laborbedingungen ein Feuer zu entfachen, blieb dann auch erfolglos. Das Prinzip ist einfach: Je leichter entzündbar die vorhandenen Materialien sind, desto niedriger setzt man den Wert der Restsauerstoffkonzentration an (vgl. Abb. 2). Der reduzierte Sauerstoffgehalt im RZ entspricht in etwa der Luft auf Berggipfeln in rund 2800 Metern Höhe und ist für gesunde Menschen unproblematisch. Die RZ-Räume bleiben also für autorisiertes Personal weiterhin begehbar. Während Gaslöschanlagen auf ein Ereignis reagieren, das erst einmal festgestellt werden muss, beugt die aktive Brandvermeidung mit OxyReduct einem Brand vor.

Abbildung 2: Durch eine reduzierte Sauerstoffkonzentration werden – je nach Entzündlichkeit – Brände praktisch unmöglich.
Einfluss auf die Kühlung
Das aktive Brandschutzsystem von Wagner erfordert eine totale Abschottung des Gebäudes, um einen Luftaustausch zu verhindern und die Konzentration des Stickstoffs aufrechtzuerhalten. In der Konsequenz muss die Klimatisierung über eine indirekte freie Kühlung erfolgen. Gleichzeitig hilft die Abschottung aber auch bei externen Bränden, da sie das Einbringen von Rußpartikeln oder giftigen Gasen durch Zuluft unterbindet. Diese externe Bedrohung wurde während der Planung in den betrachteten Szenarien und der durchgeführten Risikoanalyse für das RZ ebenfalls betrachtet. Auch wenn es bislang keine gefährlich einzustufenden Anlagen in der Nähe gibt, hatte dennoch ein Großbrand in einiger Entfernung von ColocationIX Anlass zum Nachdenken gegeben.
Eine effiziente Kühlung der Abwärme lässt sich durch die Nutzung von Grundwasserzirkulation erreichen. Dabei verbessert sich auch die Ausfallsicherheit, da solche Anlagen redundant aufgebaut sind und als technisch zuverlässig gelten. Die Verfügbarkeit der „Erdkälte“ ist jederzeit zu 100 Prozent gegeben – unabhängig von Wind und Wetter. Selbst länger anhaltende Hitzeperioden verändern die Temperaturen in 100 bis 200 Metern Tiefe nicht. Das Verfahren bietet sich allerdings nur dort an, wo man damit ausreichend Kühlleistung erzielen kann – die Geothermie weist von Region zu Region Unterschiede auf. Die entsprechende Leistungsfähigkeit wurde im Fall des ColocationIX-Hochbunkers von der Universität Bremen und einem Team aus Ingenieuren untersucht und simuliert: In Bremen waren die Werte positiv und die Arbeiten für die Geothermie-Anlage begannen im Jahr 2013.
Fazit
Hochwertige Systeme zur Brandvermeidung, aufwendige Zutrittsschutz- und Kühlsysteme sowie andere Securitysysteme und -mechanismen sind zwar teuer, bedeuten aber einen enormen Sicherheitsgewinn. Gerade in Colocation-Rechenzentren mit hoher Systemdichte lassen sie sich durch Skalierungs- und Synergieeffekte wirtschaftlich implementieren, wo Einzelbetreiber bei der Optimierung interner Rechenzentren womöglich an ihre Grenzen stießen.
Andres Dickehut ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Consultix GmbH in Bremen, einem Partnerunternehmen des RZ-Betreibers ColocationIX (www.colocationix.de).