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TLA NG Megaperls : Editorial

Erinnern Sie sich noch an die gute alte Zeit, in der es zwei unvermeidliche ITK-Messen pro Jahr gab, auf deren Termine die Anbieter ihre Releasezyklen abgestimmt hatten? Lange kamen neue Hypes und passende Abkürzungen aka TLAs (also known as Three Letter Acronyms) im Wesentlichen nur mit diesen fulminanten Ereignissen ins Spiel.

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Immerhin wurden die dann so schnell und intensiv breitgetreten, dass es a) einen unmittelbaren selektiven Überlebenskampf neuer Kandidaten gab und man b) ziemlich sicher sein konnte, auch über deren Bedeutung informiert zu werden.

Und heute? Wenn nicht gerade eines der dominanten Analystenhäuser sie lanciert, schleichen sich neue Konstrukte praktisch jederzeit und ziemlich unkoordiniert in den Sprachgebrauch von Anbietern und Beratern und gären teils über Jahre vor sich hin, bevor sie allgemeine Anerkennung erlangen oder ihnen die Luft ausgeht. Bisweilen glaube ich, TLAs und Buzzwords sind die Anmachsprüche der IT-Sales-Force, mit denen man erstmal den Kunden in spe verwirrt und dann über Rückfragen in ein Gespräch verwickelt – oder seine fachsprachliche Überlegenheit und ergo fachliche Deutungshoheit zu belegen sucht.

Natürlich ergeben Abkürzungen für unhandliche Wortungetüme gerade in der gemeinsamen Fachsprache einen enormen Sinn – wir würden wohl durchdrehen, wenn wir beispielsweise „Informationstechnik“, „BusinessContinuity-Management“, „Europäische Datenschutzgrundverordnung“ oder „Security-Information- and -Event-Management“ jedes einzelne Mal komplett ausschreiben und -sprechen müssten. Aber hier folgt die Verkürzung der Verbreitung oder Bedeutung. In anderen Fällen scheint es jedoch eher so, als stünden TLAs (oder auch längere Akronyme) am Anfang einer noch fraglichen Erfolgsgeschichte – OWiNS? (Old Wine in New Skins)

Als schlechtes Beispiel kann hier vielleicht die Waschmittelvermarktung dienen: Ich werde als Kunde gerne über eine neue verbesserte Rezeptur informiert, aber dafür muss das Produkt doch nicht unbedingt von Klassik über Super, Hyper, Mega und Ultra zu flüssig, Tabs und Pods mutieren – es sind und bleiben Tenside zur Textilreinigung!

IT und Security sind schon komplex genug. Lasst uns Kurzformen gerne überall einsetzen, wo sie geeignet sind, für Klarheit zu sorgen und zumindest die Komplexität ansonsten noch wortgewaltigerer Texte zu verringern – aber doch bitte nicht auf Teufel komm raus als werbewirksame (?) Steigerungsform und „neue“ Produktkategorie, um sich von der vorigen Version einer Lösung oder den Mitbewerbern „abzuheben“. Ach, und in der Kommunikation mit Nicht-Fachleuten hilft das übrigens auch nicht. Danke.

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